Wer kennt nicht diesen bekannten Bibelvers? Oft wird er einfach so dahergesagt. Aber was steckt in der heutigen Zeit dahinter?
Fangen wir in der Gesellschaft an. "Des Anderen Last tragen" wird entweder mit Mildtätigkeit für alle jene, die sich nicht helfen können, beschrieben. Das ist ein ehrenvolles Anliegen und wird von nahezu jedem Menschen in unserem Land gelebt. Eine andere Auslegung ist die der Solidarität. Das heißt nichts anderes als gegenseitige Hilfe, oder Hilfe zur Selbsthilfe. Bildlich gesprochen, gebe ich einem gestrandeten Autofahrer Benzin, damit er wieder fahren kann und erwarte auch, dass er daraus lernt und künftig früher nachtankt.
Wie sieht es nun im ganz alltäglichen Zusammenleben der Menschen aus? Finden wir noch jene, die bereit sind, uns ein Ohr zu schenken oder gar Hilfe zu geben, wenn etwas schwer auf dem Herzen liegt? Da wurde mir kürzlich eine Begebenheit geschildert, in der ein guter Freund um einen Rat in einem Beziehungskonflikt gefragt wurde. Als das Gespräch stattfand, schilderte die Betroffene kurz das Problem, das sie belastet. Der gute Freund fing daraufhin an, ein ähnliches Problem aus seinem Rucksack, den er mit sich trägt, auszupacken und die, die eigentlich Hilfe gesucht hatte, zuzutexten. An mich kam dann die Frage:"Wie soll ich mich da verhalten?" - Kennt jeder! In sozialen Berufen wird deshalb gern auf eine Supervision zurückgegriffen, die der Sozialhygiene dient. Hier wird behutsam Zeit und Gehör gegeben, um Belastungen aus Beruf und privatem Leben eine Bühne zu geben und dann gemeinsam Abgrenzung zu schaffen.
Ja, es trägt so jeder seinen Rucksack mit sich herum, in den viele Menschen ihre Sorgen, Zorn, Neid, Frust, fehlende Liebe, Krankheit, Überforderung, Geltungsdrang, Selbstzweifel, finanzielle Ansprüche, Streit, Mobbing und was weiß ich noch so alles hineinstecken und uns damit auf den Weg schicken. Um ihre Probleme zu lösen? Oder ist es manchmal auch Angst oder Feigheit vor der persönlichen Klärung? Das Kritische an der Sache ist leider, wenn Sie erst mal mit einem gefüllten Rucksack unterwegs sind, dann packen viele Menschen noch ihren Teil mit rein.
Wie werde ich diesen Rucksack nun los, ohne in die Supervision zu gehen? Hierzu ein paar Fragen:
Muss ich mildtätig sein und des Anderen Problem lösen, weil er es nicht alleine schafft? ja / nein
Kann ich den Anderen darauf hinweisen, dass er sein Problem nur direkt und nicht über mich lösen kann (Hilfe zur Selbsthilfe)? ja / nein
Was haben mir weitere Andere Menschen auf meinem Weg in meinen Rucksack gepackt?
Aufschreiben, was von wem! Und dann wieder die Frage - kann er oder sie das selbst direkt lösen? Muss ich mich hier zum Ritter machen lassen?
Ich hinterfrage dann gern das Anliegen dieser Ziegelstein schweren Probleme. Jeder Mensch legt in seine Aussagen ja ein ganzes Stück seiner eigenen Persönlichkeit mit rein. Er spiegelt sozusagen.
Seien Sie ehrlich zu sich und fragen Sie sich: "Muss ich diesen Rucksack tragen?" Oder "Muss ich mir diese Jacke anziehen?"
Wenn es anfängt weh zu tun oder den Schlaf raubt, handeln Sie und räumen Sie auf! Ein schmerzender Rücken kommt oft von diesem Rucksack. Und fragen Sie sich auch, was sich ändert, wenn Sie diesen Rucksack ablegen. Schon das sollte Motivation sein.
Einer trage das Anderen Last - mit Liebe, Zuwendung und Hilfe zur Selbsthilfe. In diesem Sinne wünsche ich eine geruhsame Vorweihnachtszeit!